Naturpark Rieserferner-Ahrn

Lebensraum Naturpark

Geologie

Geologie
Reiner Wasserfälle

Im Zuge der Kontinentalverschiebung hat sich vor fast sechzig Millionen Jahren die adriatische Platte vom afrikanischen Urkontinent gelöst. Sie schnürte nach Norden driftend das jurassische Urmittelmeer ein, prallte schließlich gegen den europäischen Urkontinent und schob sich noch rund 150 Kilometer darüber hinweg.
Der somit überrollte europäische Kontinentalrand sank unter dem gewaltigen Druck in die Tiefe, schmolz im heißen Erdinneren zu Magma auf und drang vor etwa dreißig Millionen Jahren durch die bestehenden Spalten in die darüber geschobenen afrikanischen Gesteinsdecken ein. So entstand die Rieserfernergruppe, die somit gewissermaßen ein "Verschmelzungsprodukt" von Afrika und Europa ist. Rings um den Tonalitkörper und ihn teilweise noch bedeckend, erstreckt sich die Zone der alten Gneise, ein Teil der afrikanischen Decke.

Vor etwa zehn Millionen Jahren waren die afrikanischen Decken soweit abgetragen, dass der Tonalitkörper und der Südrand von Ureuropa - die Zentralgneiszone und untere Schieferhülle - zu Tage traten. Die Geologen sprechen vom "Tauernfenster", das vom Brenner bis zum Katschberg 160 Kilometer weit nach Osten reicht.

Elemente der Landschaft

Der Naturpark Rieserferner-Ahrn ist unter den Südtiroler Naturparks jener mit dem höchsten Anteil an Gletschern. Der Begriff Gletscher wurde in Tirol erst spät benutzt, zuvor sprach man von "Ferner" oder "Kees", zwei Bezeichnungen aus dem Zillertal.

Die Vergletscherung ist heute auf die Nordhänge im Naturpark begrenzt. Noch im Jahr 1873 füllte der Rieserferner das weite Amphitheater zwischen dem Schneebigen Nock und dem Hochgall aus. Mittlerweile ist er auf drei getrennte Eisfelder geschrumpft.

Die Gletscherschwunde ermöglichen es, Glazialbildungen zu beobachten, darunter verschiedene Arten von Moränen, Findlingen, Gletscherschliffen, Seen und Rundbuckellandschaften. Im Kleinen können so die Prozesse beobachtet werden, die den großen Landschaftsraum gegen Ende der Eiszeit bestimmt haben.

Bäche und Seen

Charakteristisch für den Park ist der Reichtum an Wasser in all seinen Erscheinungsformen: Bergbäche stürzen über Felsplatten, Wände und Talstufen in die Tiefe, von den vielen Wasserfällen seien hier nur die Reinfälle, und der Rötbachfall genannt und zahlreiche - wenn auch durchwegs kleine - Seen füllen zumeist in Höhenlagen zwischen 2200 und 2500 Meter von Gletschern ausgegrabene Senken. Angeführt seien hier der Klammlsee, die drei Malerseen sowie die Koflerseen. Im Talschluss von Antholz liegt der drittgrößte See Südtirols, der Antholzer See, der auch als Biotop geschützt ist.

Flora und Fauna

Flora und Fauna
Waldgrenze im Röttal

Nadelmischwald

Die spärlich besiedelten Hochtäler sind vom Wald umrahmt. Als Baumart ist die Fichte am stärksten vertreten. In Höhenlagen zwischen 800 und 1400 Meter erreicht der montane Fichtenwald seine größte Ausdehnung, darüber schließt der subalpine Fichtenwald an. Je sonniger und lückiger der Fichtenbestand ist, desto häufiger ist er mit Lärchen durchsetzt. Immer wieder trifft man auch Laubgehölze, wie beispielsweise die Vogelbeere, an. Fichten, Lärchen und Zirben bilden die Waldgrenze, die zwischen 1900 und 2200 Meter liegt. Den Krummholzgürtel bilden vereinzelt Latschenbestände und - in Rinnlagen mit hohem Feuchtigkeitsangebot - auch Grünerlengebüsch.
Der Wald ist der bedeutendste Lebensraum für Wildtiere. Gute Einstände bestehen für das Reh- und Rotwild. Von Fichten- und Lärchensamen ernähren sich Zeisige, Fichtenkreuzschnäbel und Eichhörnchen. Nicht selten hört und sieht man Spechte. Die Zirbennüsse werden vom Tannenhäher gesammelt und im weiten Umkreis versteckt. Auch Fuchs, Dachs oder Baummarder sowie der Sperlingskauz finden im Nadelmischwald ausgezeichnete Lebensbedingungen.

Alpine Rasen und Almweiden

Auf den Weiderasen des Naturparks blühen Arnika, Bart-Glockenblume, Rauer Löwenzahn, Gold-Fingerkraut, Katzenpfötchen, Anemonen und andere Arten. Die Rasengesellschaft auf den Silikatbergen werden von der Krummsegge beherrscht, das Nacktried setzt sich auf den windgepeitschten Jöchern durch.
Die alpinen Rasen oberhalb der Waldgrenze bieten ein Mosaik an Biotopen für viele Gebirgstiere. Das Murmeltier findet reichlich Gräser und Kräuter und ist seinerseits Hauptnahrungsquelle für den Steinadler, der im Naturpark regelmäßig horstet. Ein Charaktervogel der Bergwiesen ist der Bergpieper. Auf blumenreichen Almen halten sich auch zahlreiche Insekten auf, insbesondere Falter, Käfer, Hummeln und Heuschrecken.

Schotterflure, Felsen und Gletscher

Mit zunehmender Höhe gehen die alpinen Rasen in Schutthalden über. Die zurückgelassenen Moränen bleiben nur kurz ein "Niemandsland": Algen, Krustenflechten und Moose siedeln sich alsbald auf Steinen und feinsandigem Gletscherschliff an. Auf schmalen Felsabsätzen und in kleinen Nischen gelingt es nicht nur diesen Arten Fuß zu fassen, sondern auch verschiedenen Gräsern und Polsterpflanzen. Mehrere Arten dringen bis auf 3000 Meter vor. Dazu zählen Alpen-Mannsschild, Alpen-Leinkraut, Moschus-Steinbrech und Roter Steinbrech. In diesen Höhen lebt das Gamswild. Der Kolkrabe nistet in Felsspalten. Charaktervögel der Schuttkare sind der Hausrotschwanz, der Steinschmätzer und die Alpenbraunelle. Den Höhenrekord unter den Säugetieren hält die Schneemaus, die sich gelegentlich auch in Schutzhütten einnistet.

Mensch und Natur

Mensch und Natur
Lobiser Schupfn

Der Naturpark Rieserferner-Ahrn ist von langgezogenen Alpentälern geprägt, in die wiederum kleinere Seitentäler münden; als Beispiel sei hier das Ahrntal mit seinen vielen Seitentälern erwähnt. Die Talböden sind dicht besiedelt, auf den steilen Hängen liegen verstreut kleinere Weiler. Darüber hinauf bis zur Gletscherregion geben extensiv genutzte Almflächen und Bergmähwiesen Zeugnis von der Tätigkeit des Menschen.
Eine herbe Landschaft öffnet sich uns nach der Tauferer Klamme im Ahrntal. Die mittelalterliche Besiedlung über die Jöcher her aus dem Pinzgau und dem Zillertal wirkt in Dialekt und Brauchtum, aber auch in der Baukultur, nach: So sind beispielsweise die urtümlichen Paarhöfe häufig mit dem typischen "Pinzgauer Glockentürmchen" versehen. Da Einzelhöfe vorherrschten, gab es in den kleinen Kirchdörfern meist nur ein Dutzend Häuser für Pfarrer und Schule, Krämer und Handwerker.

Regen Verkehr gab es im hinteren Ahrntal bereits im Mittelalter. Über den Krimmler Tauern, dessen Saumweg größtenteils noch gepflastert ist, "ging" der internationale Alpentransit ins Salzburgische, zum Beispiel Etschländerwein nach Norden und Halleiner Salz nach Süden. "Ging" ist übrigens wortwörtlich gemeint, denn die Waren wurden auf Pferderücken oder auf den kräftigen Schultern der Tauernträger befördert - ebenso wie die Ahrner Bauern, die ihre Herden heute noch auf ihre Almen ins Salzburgische treiben, oftmals durch knietiefen Schnee.

Almen

Oberhalb der Waldgrenze beginnt das weite Almgelände, das während des Sommers von Kühen und Schafen beweidet und zum Teil gemäht wird (Bergmähder). Die Almen sind das bedeutendste Zeugnis für das Leben und Arbeiten des Menschen im Naturpark.

Alpinismus

Bekannt wurden die Rieserferner, was den Tourismus anbelangt, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In der Zeitschrift des Deutsch-Österreichischen Alpenvereins erschien im Jahr 1880 eine Gebietsbeschreibung unter dem Titel "Die Rieserfernergruppe".